Online-Ausstellung
Die Hamelner Münsterkirche St. Bonifatius im 19. Jahrhundert
Im Herbste 1804 requirirte der französiche General Grandjean die ganze Kirche zum Heu= und Stroh=Magazine, (…). 1809 wurde die Kirche von Heu und Stroh gereinigt und 1810 ließ der Provisor, Senator und Bergcommissair Westrumb die beschädigten Priechen und Bänke für altes Holz verkaufen. Nachher wurden sogar Artillerie- und Train-Pferde hineingezogen, und jetzt dient sie zu einem Holzmagazine. (Sprenger, 1826)
Die französischen Besatzer bemächtigen sich 1803 der Münsterkirche und leiten den totalen Verfall des derzeit schon dringend sanierungsbedürftigen Gebäudes ein. Das Münster wird zur „lebensgefährlichen Ruine“ (Rothert, 1871). Der Innenraum ist kahl und verwahrlost. Nur ausnahmsweise werden 1819 während Renovierungsarbeiten an der Marktkirche noch einmal drei Gottesdienste im Münster gehalten. Die Gemeindemitglieder bringen ihre Stühle selbst mit oder müssen stehen.
Immer wieder rufen verschiedene Akteure in der Stadt zum Wiederaufbau auf. Es kommt zu Verhandlungen, Gutachten und Pläne werden erstellt. Ein Anfang wird oft genommen, nur kommt es (zunächst) nicht über diesen Anfang hinaus. Vor allem die angespannte wirtschaftliche Situation verhindert ein derart umfangreiches Bauprojekt.
1822 tritt Pastor primarius Schläger seinen Dienst in Hameln an. Er gründet einen Verein für den Wiederaufbau der Münsterkirche und kann zumindest erreichen, dass eine Fremdnutzung des Gotteshauses untersagt wird. Aber auch Schläger kann das Projekt nicht zum Abschluss bringen. Anlässlich seines 60jährigen Amtsjubiläums bleibt ihm nur darauf hinzuweisen, dass die Ausführung wohl einem späteren Geschlecht überlassen bliebe.
Der Verfall des Gebäudes schreitet unterdessen weiter voran. Der Vierungsturm ist Mitte des Jahrhunderts derart baufällig, dass zu seiner Entlastung die Glocken abgenommen werden.
Als König Georg 1856 Hameln besucht, nimmt er auch die verfallene Kirche in Augenschein und verspricht finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau. Und tatsächlich wird ein Kirchenbaufonds gegründet, dem Kämmerei und Klosterkammer 20.000 Taler zuweisen. Spenden werden eingesammelt und darüber debattiert, ob eine Restaurierung des Gebäudes angeraten und möglich sei, oder aber nur Abriss und Neubau an alter Stelle blieben. Die Münsterkirchenbau-Kommission spricht sich schließlich für eine Wiederherstellung aus.
Mit dem Wiederaufbau beauftragt wird der hannoversche Baumeister Conrad Wilhelm Hase. Die Arbeiten erfolgen in drei Bauabschnitten: zunächst Erneuerung der Nordseite des Langhauses, dann Restaurierung des Vierungsturms und schließlich der Kapitelsaal und die darunter liegende Krypta.
Die feierliche Einweihung der ehrwürdigen Münsterkirche in neuem Glanz wird am 13. Juni 1875 begangen.
Johann Daniel Gottlieb Herr beschreibt schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dass die Kirche in Teilen marode geworden ist. So schildert er eine Begebenheit aus dem Jahr 1757. Herr kommt am zweiten Weihnachtstag in die Sakristei und setzt sich zu Senior und zweitem Prediger an den Ofen. Daraufhin sinkt der Boden „mit uns 3 Predigern und dem heißen Ofen in das 20 Fuß tiefe Gewölbe herunter.“ Die Männer können sich aus dem Gewölbe in die Krypta retten und kommen mit Blessuren und einem gehörigen Schrecken davon. Deutlich wird aber, dass die Kirche schon zu dieser Zeit nicht mehr in einwandfreiem Zustand ist. Und es wird nicht besser: Im August 1760 wird der Kreuzgang abgebrochen. Dies wiederum macht bald Ausbesserungsarbeiten nötig, um das Mauerwerk nach Norden hin abzustützen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gibt es konkrete Pläne Orgelwerk und das darüber liegende Gewölbe zu restaurieren. Vor Verwirklichung dieser Pläne jedoch rücken 1803 die Franzosen ein, beschlagnahmen die Kirche, bringen zunächst Lebensmittel in der Krypta unter und schließlich wird ein Heu- und Strohlager im altehrwürdigen Münster eingerichtet. Nach der „Franzosenzeit“ werden Prichen und Bänke als altes Holz verkauft. Um 1810 werden sogar (hannoversche) Artilleriepferde in der Kirche untergebracht. Von der ehemaligen Einrichtung übersteht nur wenig diese Zeit.
Ab 1819 gibt es zaghafte Versuche zum Wiederaufbau. Der erkennbare gute Wille führt jedoch zunächst zu nichts. 1820 ist das Münster Holzmagazin und Warenlager. Schließlich zieht die Zollverwaltung ein. Die arme Weserstadt hat kein Geld für die Unterhaltung des Baus.
Besonders Pastor primarius Schläger macht sich gegen diese Fremdnutzung stark, kann aber auch erst 1840 ein diesbezügliches Verbot erwirken.
Zum Reformationsjubiläum 1840 wird das Gotteshaus sogar festlich geschmückt und ein Teil des Festprogramms dort abgehalten. Der Verfall ist allerdings nicht aufzuhalten. Ab 1855 dürfen die Glocken im Vierungsturm nicht mehr geschlagen werden. Zu dieser Zeit werden Pläne für einen Abriss favorisiert. Fünf Jahre später müssen die Glocken sogar ganz angenommen werden, um den Turm zu entlasten.